1975-2025. 50 jahre œnm

Pioniertaten
für die neue Musik:
1975-1997
Die Geburtsstunde des „Österreichischen Ensembles für Neue Musik“, damals ÖENM abgekürzt, schlug am 14. Juni 1975 im Publikumsstudio des ORF Salzburg. Unter der Leitung des Ensemblegründers Klaus Ager spielten der Klarinettist und Mitbegründer Ferenc Tornai, der Gitarrist Wolfgang Guttmann, Genroh Hara auf der Posaune, Laura Spitzer Klavier und Hermann Urabl am Schlagzeug. Dazu kam die Sopranistin Marianne Rainer. Das Programm zeichnete das Repertoire des Ensembles bis heute vor. Zu zwei Werken Agers („Silences VII“ und „Le combat avec l’ange“) kamen ein Klassiker der Moderne (Anton Weberns Drei Lieder für Gitarre, Es-Klarinette und Sopran) sowie zwei weitere Zeitgenossen: Vinko Globokar („Correspondances“) und Luciano Berio („Rounds“ und die Sequenza für Posaune). Ein anspruchsvolles Konzert am Puls der Zeit.
In der Festschrift zum zehnjährigen Bestehen des ÖENM von 1985 schrieb Klaus Ager: „Ferenc Tornai und ich fassten im Herbst 1974 den Plan, ein auf neue Musik spezialisiertes Ensemble zu gründen. Der hauptsächliche Grund dafür war die desolate Situation der Neuen Musik zu dieser Zeit in Salzburg.“ Die einmal klein und einmal groß geschriebene Neue Musik, vielleicht bloß ein Druckfehler, darf gleichwohl als Chiffre für die Bandbreite des Repertoires gelten, finden sich in der Liste der aufgeführten Werke zwischen 1975 und 1985 doch Cesar Bresgen neben Pierre Boulez, Alfred Schnittke und Kurt Schwertsik, Jenö Takacs und Karlheinz Stockhausen, die Schönberg-Schule und Olivier Messiaen.
Die aufgeführten Salzburger Komponisten bildeten jahrzehntelang und bis in die Gegenwart einen wichtigen Bereich des Repertoires – von Anfang an gelangten viele Stücke zur Uraufführung. Die Broschüre zum zehnjährigen Jubiläum 1985 nennt in Auswahl bereits folgende Namen: Klaus Ager, Robert Crow, Helmut Eder, Heimo Erbse, Herbert Grassl, Josef Maria Horvath, Johannes Kotschy, Andor Losonczy, Rolf Maedel, Alexander Müllenbach, Wolfgang Niessner, Wolfgang Pillinger, Peter Revers, Franz Richter-Herf, Boguslaw Schaeffer, Hartmut Schmidt und Gerhard E. Winkler. Bis zur Gegenwart hat das Ensemble beinahe 400 Stücke uraufgeführt. Von 1977 bis 1985 fanden etwa 150 Konzerte des ÖENM in fast allen Ländern Europas statt, besonders in Skandinavien und Frankreich, später kamen Korea und Ägypten dazu.
Die rege Gastspieltätigkeit setzte sich auch fort, nachdem Klaus Ager die Leitung des Ensembles 1988 abgegeben hatte. Von 1988 bis 1997 stand der Komponist und Dirigent Herbert Grassl dem ÖENM vor und setzte die kontinuierliche Arbeit in Salzburg und die Tourneetätigkeit erfolgreich und mit Charisma fort. 1991 entwickelte Herbert Grassl zusammen mit dem Salzburger Bildenden Künstler Otto Beck die Klangmobile. Mit diesen bespielbaren, pedalangetriebenen Dreirädern wurde im Rahmen der Aspekte 1991 John Cage vom Flughafen Salzburg eskortiert. Anschließend gab es Stadtbespielungen u.a. in Salzburg, Dresden, Maastricht, Arnheim, Bozen, Wien, Villach, in Seoul im Rahmen der IGNM Weltmusiktage und zuletzt 1999 in Bregenz. Eine Anzahl von Kompositionen wurde für offene Räume konzipiert, auch das Projekt Salzacharche von Otto Beck. Das ÖENM spielte in diesen Jahren regelmäßig bei den Aspekten und in der „Nacht der Komponisten“, als eine neue Spielstätte hatte sich das Künstlerhaus bewährt. Eine ebenso kleine wie treue Fangemeinde, zu der sich ab 1988 auch der Schreiber dieser Zeilen zählen durfte, bildete das Publikum in Salzburg.
… die gesamte Festschrift verfasst von Prof. Gottfried Franz Kasparek
können Sie gerne hier als PDF herunterladen.

Klaus Ager
Gründer des œnm . œsterreichisches ensemble fuer neue musik . ehem. Rektor der Mozarteum Universität Salzburg . Komponist . Dirigent
50 Jahre „Österreichisches Ensemble für Neue Musik“!
Die Situation der Neuen Musik in Österreich in den 60er und frühen 70er Jahren war aus den verschiedensten Gründen ziemlich schwierig, und es gab eigentlich wenig Möglichkeiten sowohl Neuere Musik zu hören, geschweige denn, als junger Komponist auch aufgeführt zu werden.
In Wien gab es damals trotz der Ensembles „Die Reihe“ (gegr. 1958) und den „Kontrapunkten“ (gegr. 1965) angesichts der damaligen Vielfalt an moderner Musikproduktion kaum Möglichkeiten diese Vielfalt auch hören zu können, geschweige denn auch als junger Komponist aufgeführt zu werden.Auf der Rückreise von einem Konzert eines deutschen Ensembles in Bonn (BRD) haben der Klarinettist Ferenc Tornai und ich im Auto beschlossen, ein solches Ensemble für klassische zeitgenössische Musik in Salzburg zu gründen. Die Gründ-ung war verhältnismäßig einfach, da wir schnell ein paar interessierte Freunde und Musiker gefunden haben, die gerne die Idee mit uns mittragen wollten. Es ging uns auch darum, möglichst viele Ebenen der damaligen zeitgenössischen Musikproduktion des In- und Auslands in unsere Programme einzugliedern und haben gleichzeitig auch neue Akzente gesetzt, indem wir Kompositionsaufträge an junge Komponisten und Komponistinnen vergeben haben.
Wir hatten das Glück, dass gerade Mitte der 70er Jahre in Österreich eine wirkliche kulturelle Aufbruchstimmung entstand, in deren Verlauf Initiativen verhältnismäßig unbürokratisch Unterstützung finden konnten und wir auch ziemlich bald vom österreichischen Kulturministerium finanziell gefördert wurden (diese finanzielle Unterstützung war allerdings mit einer Verpflichtung von mindestens 20 Konzerten pro Jahr verbunden!). Auch das Land und die Stadt Salzburg unterstützten die Initiative, so dass wir sehr bald die ganze organisatorische Arbeit auch einem eigenen Büro überlassen konnten.Wir hatten zu meiner Zeit im Grunde 3 Schwerpunkte der Programmgestaltung:
1. Klassische neue instrumentale Musik (mit und ohne Gesang) im Prinzip auf der Basis der Besetzung des „Pierrot lunaire“ (Fl., Klar., Klavier, Vl. und Vc.) mit eventuellen Erweiterungen
2. Ungewöhnliche Besetzungen unter Einbeziehung von Elektronik
3. Besondere Instrumente wie zum Beispiel die Skulptur-Instrumente des Salzburger Bildhauers A. Lindner)
Die Konzerte führten uns einerseits in Österreich in die meisten Bundeshauptstädte aber auch in kleinere Orte (wie zum Beispiel ins kleine Walsertal u.ä.!.) und außerhalb in viele Länder Europas (Deutschland, Skandinavien, Frankreich Italien etc.) aber auch darüber hinaus (Kuba, Lateinamerika, USA, Türkei etc.).
Als ich nach zehn Jahren die Leitung des Ensembles an Herbert Grassl übergeben konnte, der schon in meiner Zeit immer wieder als Dirigent oder Organisator mitgewirkt hatte, war eine gewisse Sicherheit der Weiterexistenz des Ensembles gegeben.
Dass wir aber jetzt bereits auf 50 Jahre unermüdlicher Arbeit des œnm zurückblicken können, freut uns ganz besonders und vor allem hätte das wohl damals niemand gedacht!

Seit 50 Jahren schlägt im œnm das Herz für das Neue, das Unerhörte, das Mutige – getragen von Menschen, die an die Kraft zeitgenössischer Musik glauben. Was als visionärer Aufbruch begann, hat sich zu einer lebendigen Stimme im Musikleben entwickelt – offen, kritisch, leidenschaftlich und stets dem künstlerischen Risiko verpflichtet. Dieses Jubiläum ist ein Moment der Dankbarkeit – gegenüber all jenen, die das œnm geprägt haben – und ein Versprechen, diesen Weg weiterzugehen: neugierig, wach und kompromisslos.
Martin Rummel, Vorstandsvorsitzender des œnm . Rektor der Anton Bruckner Privatuniversität . Cellist


1975 – zehn Jahre nach dem Ensemble Kontrapunkte, zehn Jahre vor dem Klangforum Wien – gegründet, darf das œnm durchaus als Pionier der neuen Musik in Österreich gelten. Als künstlerische Reaktion auf „die desolate Situation der Neuen Musik zu dieser Zeit in Salzburg“ (Klaus Ager) punktete es früh mit Mut zur Originalität, auch abseits klassischer Formate: Ab 1991 radelte das Ensemble mit selbst entwickelten futuristischen Klangmobilen (Herbert Grassl & Otto Beck) durch den öffentlichen Raum, 1997 sogar durch Seoul. 2012 trug die Experimentierfreude dem œnm den Bank Austria Kunstpreis für Musikvermittlung ein. Bei Wien Modern wird das Salzburger Ensemble heuer zum zehnten Mal seit 2009 gastieren (eine Film-statt-Opern-Produktion im Lockdown 2020 mitgezählt): Zum 50. Ensemblejubiläum präsentieren Wien Modern und das œnm gemeinsam die Koproduktion Archipel Life, eine aufwendige neue Raumkomposition von Clemens Gadenstätter, die im Herbst 2025 in Salzburg und Wien zu erleben ist. Ich freue mich auf diese spannende Fortsetzung der Zusammenarbeit und wünsche dem œnm auch für die Zukunft ausreichend Mut zum Risiko, ein professionelles Arbeitsumfeld und den langen Atem, den es für die Innovation in einem für Österreich und Salzburg besonders wichtigen Kunstfeld braucht.
Bernhard Günther, Künstlerischer Leiter Wien Modern
Das œnm hat mich seit 4 Jahrzehnten in meiner eigenen Entwicklung als Komponist und in der Wahrnehmung von Musik unserer Zeit maßgeblich geprägt. Aus meiner Sicht hat sich das Ensemble aus einer Gruppe von für Neue Musik begeisterten Komponisten und Musikern zu einem Ensemble entwickelt, das zu den kompetentesten und professionellsten Klangkörpern in Österreich zählt.Diese Entwicklung wurde maßgeblich durch besondere Künstler-Persönlichkeiten ermöglicht, zunächst durch Komponisten und Musiker wie Klaus Ager, Herbert Grassl, Alexander Müllenbach und Andor Losonczy, in weiterer Folge durch das Stadler Quartett und dem Dirigenten Johannes Kalitzke. Das œnm ist nicht nur als Ensemble ein Geschenk, es lebt und liebt Neue Musik und interpretiert sie auf höchstem Niveau – es begeistert so Menschen mit offenen Ohren und inspiriert Komponist:innnen in Salzburg und darüber hinaus.
Ludwig Nussbichler, Kurator ASPEKTE Festival . Musikschuldirektor Stadt Salzburg . Komponist


Zum 50 Jahre Jubiläum wünsche ich mir als treuer Konzertbesucher, viele überraschende, bereichernde Konzerte. Dem Ensemble wünsche ich, dass es, so wie früher auch viele spannende Projekte in Österreich und im Ausland verwirklichen kann. Auf tolle weitere 50 Jahre!
In den 0er Jahren hat sich das ŒNM eine neue Struktur gegeben. Einerseits wurden Ensemble fremde Personen in den Vorstand geholt und andererseits wurde eine hauptamtliche Geschäftsführung angestellt. Der erste Geschäftsführer war Wolfgang Laubichler. Ihm verdanken wir, dass vieles was so nebenbei erledigt wurde, nun in organisierte Bahnen kam. Die Subventionsgeber goutierten diese Entwicklung mit laufenden Subventionssteigerungen. Zu Beginn der 0er Jahre war das Ensemble noch sehr stark auf das „Stadler Quartett“ ausgerichtet. Unter der künstlerischen Leitung von Peter Sigl änderte sich das langsam, sodass auch die Bläser regelmäßig eigene Programme präsentierten.
Um 2010 entwickelten wir das Format der „Atelierkonzerte“. Im intimen Rahmen unseres Studios im Künstlerhaus präsentieren wir bis heute einstündige Hauskonzerte mit Kommentaren der Musiker:innen. 2012 brachte uns das den Bank Austria Kulturpreis ein.
Wolfgang Amanshauser, Ehrenamtlicher Vorsitzender das œnm Vorstandes von 2004 bis 2021
